Corinne Tschumi 13.04.1975

Corinne TschumiCorinne Tschumi empfängt mich in ihrem hellen Büro im Domicil Nydegg am Nydeggstalden. Ihre offene und charmante Art macht es mir leicht, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Corinne Tschumi ist eine der jüngsten Heimleiterinnen in einem Domicil in Bern. Seit August 2009 leitet sie die Geschicke des DomicilsNydegg oben am Nydeggstalden. Corinne wurde am 13.04.1975 in Solothurn geboren. Nach wie vor bleibt sie mit ihrem Heimatkanton verbunden. Sie lebt in Etziken. Ihre Ausbildung absolvierte sie als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin.  Danach folgten u.a. die Ausbildung zur Erwachsenenbildnerin.  Zurzeit absolviert Corinne die Weiterbildung zur Heimleiterin.

«Ich komme gleich. Richte dich einfach in meinem Büro ein», wirft sie mir lächelnd zu und kümmert sich wieder um den Handwerker, der gerade mit seiner Arbeit fertig geworden ist. Nach fünf Minuten habe ich mich mit meinem Netbook installiert und Corinne sich vom Handwerker verabschiedet.  Nun können wir dem Interview beginnen. Sie schaut mich erwartungsvoll an.

«Wie kommt ein so junger Mensch dazu, sich mit so viel älteren Menschen zu beschäftigen?», frage ich spontan.  Sie schaut mich bedächtig an. «Ich habe meine Mutter früh verloren und so waren meine Grosseltern mein Ein und Alles.  Ich bin bei meinen Grosseltern aufgewachsen. Jetzt sind sie alt und ich gebe ihnen gerne wieder etwas zurück. Nicht weil ich muss, sondern weil es ein Bedürfnis ist. Ich besuche meine Grosseltern regelmässig und es ist wirklich keine Belastung für mich», sagt sie bescheiden.

«Ich mag ältere und alte Menschen. Deshalb bin ich auch froh, dass ich diesen Job am Nydeggstalden bekommen habe.  Das Domicil Nydegg hat 32 Bewohner und 20 Seniorenwohnungen.

Das Domicil Nydegg hat genau die richtige

Grösse für mich. Es ist für mich überschaubar und ich habe den Eindruck, dass ich dem Betrieb hier gewachsen bin.» «Gibt es Momente in denen du dich über ältere Menschen nervst?» «Ja, sicher. Immer dann, wenn sie uneinsichtig sind und andere Menschen gefährden. Vor allem dann, wenn sie rücksichtlos gegenüber andern sind. Das kann mich dann doch ab und zu «hässig» machen. Ich erlebe es aber auch bei meinen Grosseltern, die sich nerven, wenn sie etwas nicht mehr können. Ich helfe gerne, bin allerdings der Meinung, dass man Menschen solange alleine machen lassen soll, wie es nur geht.» «Wer ist denn eigentlich diese Corinne Tschumi?», frage ich unverblümt.

«Eine aufgestellte, fröhliche und kontaktfreudige Person. Ich liebe das Leben und geniesse auch ein Glas Wein. Gerne sitze ich mit Menschen zusammen und rede über die Gott und die Welt. Ich bin sportlich und gehe regelmässig schwimmen und joggen. So kann ich meine überschüssigen Energien abbauen.»

«Was kennst du schon von der Matte?» …

«Ich kenne den kleinen Raum von Barbara Bürkli am Mühlenplatz », sagt sie scherzend. «Auch das Mülirad kenne ich schon ein bisschen. Barbara hat mich gut eingeführt. In die Broncos Loge und ins Fischerstübli. Mit Frau Nydegger vom Läuferplatz habe ich auch schon Bekanntschaft gemacht.» Ebenfalls schön sind die Lädelis und die Restaurants … «In der kurzen Zeit kennst du aber schon viel, vor allem die Beizen», necke ich sie.

«Beizen und Restaurants sind doch wichtig in einem Quartier – gell?» «Logisch, dort trifft man sich ja auch», entgegne ich ihr.  Corinne sagt von sich: «Manchmal bin ich ungeduldig. Ich möchte etwas erledigen und es dauert oft etwas länger, als ich es mir gewohnt bin. Grundsätzlich bin ich allerdings mit mir zufrieden und möchte es nicht anders haben oder jemand anderes sein.

«Was möchtest du in deinem Job erreichen?»

«Die Strategie ist vorgegeben. Was ich persönlich erreichen möchte, ist ein gemütliches Haus mit einer familiären Atmosphäre.  Ich möchte, dass sich die Menschen hier wohlfühlen und auch das Personal gerne zur Arbeit kommt.» «In deinem Job ist der Tod doch ziemlich nahe. Was ist für dich wichtig, wenn jemand stirbt?» «Ich möchte einfühlsam und verständnisvoll mit den Angehörigen umgehen können. Fragen beantworten und unterstützend wirken. Ich selber bin jeweils froh, wenn ich mich in Ruhe vom Menschen, der uns verlässt, verabschieden kann. Dies mache ich auf meine Art und weise. Was mir übrigens auch wichtig ist, dass ein Mensch in diesem Haus mit dem Sarg nicht verstohlen durch den Hinterausgang hinausgetragen wird, sondern dort hinaus geht, wo er auch hereinkam: Durch den Haupteingang. Wenn jemand stirbt, leuchtet eine Kerze, bis er beerdigt ist. Aus feuertechnischen Gründen ist es übrigens eine elektrische Kerze», wendet sie ein.

»Um die 52 Bewohnerinnen und Bewohnern kümmern sich dreissig Angestellte, meistens Teilzeitarbeitende. Ich finde die Altersarbeit sehr anspruchsvoll und da braucht es meiner Meinung nach auch mehr Freizeit und Erholung, damit sich die Betreuenden wieder voll auf die Betreuten einlassen können.» Corinne lädt mich zu einem Rundgang durch ihr Reich ein. Sie öffnet mit ihrem gewinnenden und charmanten Lächeln viele Türen.

Wir treffen auf die «Engelsfrau», die in ihrem Zimmer Engel in verschiedensten Grössen und Formen ausgestellt hat.  Ich staune nur noch und frage höflich, ob ich den fotografieren dürfe. «Sehr gerne», meinte sie voller Stolz. Bei einer andern Dame geniesse ich den Ausblick ins Mattequartier und schaue mir die herrliche Aussicht auf die Dächer der Altstadt an.

Bis jetzt war ich noch nie im Domicil Nydegg, obwohl ich bereits zwanzig Jahre in der Matte lebe. Ich staune. Einmal mehr erlebe ich, wie die Matte wirklich ein Dorf mit allem drum und dran in der Stadt ist.

Corinne und ich besuchen Frau Schori, die in einer Alterswohnung am Nydeggstalden 20 alleine lebt. Ihre Wohnung ist klein aber geschmackvoll eingerichtet. Der Fernblick auf die Aare und den Altenberg sind einfach traumhaft. Sie bedauert es schon ein bisschen, dass sie nicht mehr soviel Platz hat wie früher. So erzählt sie uns, dass sie ihre geliebte, schöne Sonntagstracht aus Platzgründen zum Verkauf anbieten musste. Ihre Augen schauen dabei traurig, auch wenn sie sagt «Ach wissen Sie, es ist schon gut, ein Mal musste es doch sein und nun ist es in Ordnung, denn reduzieren auf das Wesentliche ist gar nicht so schlecht.  Wir verabschieden uns von Frau Schori. Corinne und ich steigen die Treppe hinunter und draussen am Nydeggstalden verabschiede ich mich von der fröhlichen, aufgestellten und charmanten jungen Heimleiterin.

Corinne geht leichtfüssig, zielstrebig und beschwingt in ihr Büro zurück und ich marschiere nachdenklich und geschwind in die Matte hinunter. Das Gespräch mit Corinne war einfach ein Aufsteller, denn sie sprudelt, erzählt und ist sehr reflektiert in ihren Ansichten und Gedanken. Eine Frau, die weiss was sie will, denn schlussendlich ist Corinne eine Widderfrau.

Rosmarie Bernasconi