E Gschicht vom Peter Maibach

Peter Maibach

D Bärner Altstadt isch scho öppis Bsunders. Di pflegte Gasse, di stolze Hüser, di gmüetliche Beizli, versteckt i gheimnisvolle Eggeli. Dört trifft me geng öppe uf aller Gattig Lüt, gwönlichi, schregi und aparti. Vor es paar Monet ha ig e tolli Frou lehre kenne, für mi isch si «die blaui Frou», die isch präzis alles uf einisch gsy. Allerdings hei mir üs nid a eim vo dene munzige Tischli zum Käfele troffe. Nei, am e aparte Ort, zu ere kurlige Zyt. U, mir hei üs eis einzigs Mal troffe, leider. Ig säge’s nume Öich, bhaltetis eigetlich lieber für my; i mues zuegä, dä spezielli Ort u «di blaui Frou» hei my sider nümme los gla.

Us was für eme Grund ou immer, i verzelle’s Öich es anders mal, ha ig öppis i de alte Bärner Adrässbüecher gsuecht. Ir Nationalbibliothek, im grosse Läsesaal mit de hölzige Tische u de breite Sässle. U wil ig im erschte Buech nid fündig bi worde, ha ig wyteri Bänd nache bstellt. So bin ig bald hinder höche Muure us dicke Schünke verschwunde, wo mir die fründliche Bibliothekslüt füre bige hei.

Ir Biblere

Spannend, was me da alles findet, o settigs wo me gar nid suecht. D Wonige hei no ke Telefon gha. Ersch vil speter het’s es Regischter gä vo Gschäft, wo es Postcheckkonto hei. Füfstelligi Telefonnummere hei nah dis nah dr Wäg i ds Adrässbuech gfunde. Houptsächlich sy Manne im Adrässbuech ytreit gsy - usser e Dame wäri Witfrou gsi oder no es Frölein mit ere eigete Wonig. Nid id’s Adrässbuech ufgno het me öppe 10'000 Anstaltspfleglinge, Armegnössigi, Dienst-, Hotel- und Chrankepflege-Personal, Serviertöchter u Studänte. Warum? Wil die so mängisch züglet heige, das ds Adrässbuech nie gstumme hätt.

Aber, halt, was ha ig itz scho wider wölle sueche? Ja, genau, öppis us dr Matte, vor Schiffloube. Aber es isch wi Estrich ufruume. Plötzlich chunnt me vom Wäg ab. Nach es paar Ränk um stoubigi Egge ume bi ig wyt ewägg vom Afang. Strukturiert sueche? Vilecht sogar mit eme Plan? Ah bah. Äs isch doch grad so wichtig, z wüsse, das dr Söilimärtit uf em Weisehusplatz stattfindet u dr Grossviehmärit am Chlöschterlischtutz. Vom Rindvieh ewägg ha ig mi definitiv i dr fyschtere Tiefi vo früecher verlore.
Bärn het sich afa useputze, isch grösser worde, rycher. Je meh d Stadt gwachse isch, descht feisser si di rote Schünke derhär cho. De ha ig afa gwundere, wäm früecher weles Hus ghört het u wär dört gwohnt het. Zum Byspil ha ig mir usegschribe, wo dr Grossvater gwont het, wo är uf Bärn cho isch u was är gschaffet het. Am Afang si das nume es paar mageri Blettli Notize gsy. Aber mit dr Zyt isch immer meh drus worde, ds Läbe het sich immer meh verzweigt, isch zu eme Pfad dür d Bärnerjahr worde. Chlyni, unbedütendi Spure i de immer glyche Gulisse. Gägenüber hüt isch es e verchehrti Wält gsy: Alli hei ir Stadt gwont u gschaffet, äng uf äng. Derfür isch es dört läär uf grüene Wise gsi, wo hüt alli iri Schnäggehüsli ane gstellt hei. Syte um Syte, Buech um Buech hei sich d Jahr uf enander bigelet, Schicht uf Schicht.

Heiwäg

Uf em Heiwäg, dür d Altstadt abe i d Matte, si mir myni Notize u di alte schwarz-wyss Föteli dür e Chopf trölet. Foto mit Lüt, wo alli uf en Art glych usgseh hei: strängi Gsichter, robuschti Chleider, e breite Huet, e länge Rock, e Schurz. Hie Manne mit drädelete Schnöjz, dört e Frou mit eme sträng azogene, dunkle Chopftuech. Ching, wo über d Strasse renne, verhuschet wi Gspänschter, verwaggleti Ufname. Wär sy si gsy? Was hei si gmacht? Was sy iri Sorge gsy u was het ine Fröid gmacht? I spaziere d Chramere ab, stelle mir vor, das dört, wo hüt schyggi Läde u eleganti Büro nobel tüe, grossi, luti Familie gläbt hei. Vil Ching u weni Platz, si hei uf dr Gass gspilt, dört wo hüt d Turischte düre trappe u schyggi Bisnessleidis düre stögele. Ab allem hei Spaziere si mir d Bilder vo früecher mit de hütige Ydrück ziemlich dürenand cho. Die ganzi Bärnerwält vo hundert Jahr isch näbenand in es paar Gasse gmoschtet worde.

I ha nid guet gschlafe i dere Nacht, ha vo de Gasse tröjimt, wo dr Einstein i sys Büro marschiert u wo glychzytig e japanische Bsuecher si Wonig ir Chramgass aaluegt. Z mondrischt bin vil z spät i di Bibliothek cho. Gäge Abe mues ig am mym Tisch ygnickt si. D Ufsicht het gloubes no gwärweiset, ob si scho söll Liecht mache oder öbs no so gieng. Oder het si scho aazündet? Einewäg, ig weiss es nümme. I bi hinder myre Büechermuur ypennt, ig bsinne mi nume no a dä Gruch nach füechtem Härd u alte Chleider, wo mir geng stercher us de alte Büecher entgäge cho isch, es fyns Parfüm vor Vergangeheit uf Papier.

Weli Biblere

Irgendwo het e Türe gschletzt. I bi ufgschreckt, ha erstuunt umegluegt. Was itz? Uf jedem Tisch isch es Pfünzeli gstande, es gälbs warms Liecht isch under eme grüene Glasschirm füre gschliche, het tupfwys Liecht uf d Tische zouberet. Isch das nöi? I ha di Lämpli no nie gseh. Es het no meh als vori nach alte Büecher gschmöckt. Wo sich mini Ouge a ds Schatteliecht gwöhnt hei, gseni, das vo myre Bygi die neuschte Adressbücher gfählt hei! Itz bin ig definitiv wach worde. Bigoscht! Das git wider es Gstürm am Schalter! Ig bi ufgsatzet u ha fasch dr Stuel umgschosse. D Saalufsicht het sich sträng gröischperet. I ha übere gluegt u mi mit eme Schulterzucke versuecht z entschuldige. I bi süferli abgsässe, ha mi uf d Ellböge gstützt. So komisch, d Ufsicht het e breite, zwirblete Schnouz gha u e rundi Redlibrülle. Über em wysse Hemmli mit em komische Chrage het de Maa si Ermelschoner treit u es eifachs Gilet. A de andere Tische sy öppe glych aagleiti Herre gsässe, mit Gravatte sogar, u hei wichtig i alte Dokumänt ume gschnöigget.

Walter Heller, ca. 1920 (C) Peter Maibach

«Guet», isch mir klar gsy, «itz bin ig total verruckt worde, plämmplämm. Wäge däm Umenuusche ir Vergangeheit het’s mir es paar Sicherige putzt. Aber scho rächt, tüe mir eifach nüt derglyche. Mir isch dr Einstein vo geschter i Sinn cho. I ha syni Theorie nie gchopfet, aber itz undereinisch ha ig alles begryffe:
D Zyt vor dr Bibliothek u d Zyt hinder dr Ygangstüre si dürenand cho, hei enander überholt. Mal geits dusse schnäller, mal dinne lengsemer. U je schneller das es geit, descht lenger het me. Isch doch Bubi eifach, gället. Itz wo i’s tschegget ha, hets mi nid emal meh bsunders ufgregt. Mir het’s ja i beide Zyte gfalle, dere wo my Grossvatter no e junge Bursch mit Schnouz isch gsy u hüt, wo är scho lengscht nümme bi üs isch.

«Das geit scho wider verby», ha ig mi beruhiget. «Tüe mir nüt derglyche, alles isch relativ. Irgendeinisch chäme de beidi Zyte wider anenand verby. U de, was gisch was hesch, nüt wi use!»

Di blaui Frou

Us all däm Studiere u Grüble het mi e ruejgi Froueschtimm usezoge. D Frou, nid jung, nid alt, isch nid bsunders gross gsy, aber ou nid chlyn. Si het e bodelänge blaue Rock u e blaue Schurz annegha. Es paar schwarzi Chruseli hei under em Chopftuech füre gluegt. O iri grosse, ärnschte Ouge si schwarz gsi, ds Chopftuech hingäge isch us em glyche blaue Stoff wi dr Rock gsy.
«Exgüsee, dr Herr, das ig Öich mues störe. Es isch scho spät, mir mache gly zue.»
Ig ha verwunderet umegluegt. Tatsächlich, dr Saal u ou ds Pültli vor Ufsicht isch wi usgschtorbe gsi.
«Bin i dr Letscht? I ha gar nid gmerkt, wi d Zyt düre isch.»
«Aber das macht doch nüt, i ha einewäg grad bis itz z tue gha mit Ornig mache. Aber äbe, scho gly mues ig gspliesse».
«We dir no es Momäntli Zyt hättet, möchti Öich öppis frage, we Dihr möchtet so guet si.»
«Das isch scho rächt, so öppis ha ig eigentlech fasch erwartet. I mache no d Rundi fertig u chume de nomal bi Öich verby. Übrigens, i heisse Babett, Frölein Babett.»
Mir hei üs vorgstellt. De isch ds Frölein Babett im Läsesaal ume ghuschet, het d Lämpli usgmacht, hie öppis grad grichtet, dört Büecher tischelet, e Papierchorb gläärt, es paar Tintefessli ufgfüllt. De het si alli Lämpli, bis uf mys, usgmacht. I ha us dr Wyti ghört, wie ds Schloss vor Ygangstüre tschäderet het. Churz drufabe het si e Stuel a my Tisch zoge, dr gross schwär Schlüsselbund süferli uf e Tisch gleit, ds Chopftuech ufgchnöpft, iri Chrusle hübsch grichtet und isch bolzgrad ane gsässe. «So, es isch zue, mir sy elei. Aber nid, das Dihr amänd meinet, i syg öppe e Settigi.»

Nid ganz ghüür

«Machet Öich ke Sorge, ig bi ou ke settige, Ehrewort! Aber säget, hie inne isch doch öppis nid ganz ghüür?»
«Ja, da heit Dihr rächt! We Dihr wüsstet! I triffe immer öppe mal settigi Lüt wi Öich ir Bibliothek.
«Öppe Mal settigi?», ha ig mi gwunderet.
«Ja, Dihr sit nid dr einzig, wo sich zwüsche de Zyte verloffe het u nächhär nümme usefindet. U genau das isch mini Ufgab, de verirrte Bsuecher wider use z hälfe.»
«Auso, Babett, Dihr meinet, das syg ke Troum, wo ig itz de grad drus ufwache?»
«Nei, Mösiö, das isch scho chly ärnschter. Wo Dihr ygnickt syt, syt Dihr zwüsche zwöi Adrässbüecher in e Zytspalt abegheit. U wil Dihr dummerwys i d Vergangeheit hindere trolet sit, fähle Öich itz die nöie Adrässbüecher zum zrügg ga!» D Babett het dr Chopf schreg gha u mi aagluegt, het mir Zyt gla.
«Dihr meinet», ha ig nach eme Chehrli gfragt, «das Buech, wo ig itz bruchti für zrügg, git’s nümme?»
«Nid nümme, äbe no nid, das chunnt ersch i drü Monet use.»
«Aber i cha doch nid drü Monet hie inne warte? Auso, nid wäge Öich, aber das chiem scho grad ugläge.»
«Nenei, ke Angscht. I kenne e Abchürzig, die geit aber ersch ar Mitternacht uf. De isch es i Öiher Zyt sächsi u Dihr chöjit diskret useschlyche. Gloubets, es funktioniert!»
«I chume zwar nid drus, aber we’s Dihr säget, Babett, warum sött i zwyfle?», ha ig ärnschthaft gschwindlet. I ha immer no ghofft, i erwachti vorhär vo sälber. Obwohl, so pressierti’s mir itz o grad nid. Ds Frölein Babett
het mir würklech guet gfalle.
D Babett het glachet: «Ufpasse, i cha Gedanke läse, emel die vo de meischte Manne!»
Ig bi tatsächlich chly rot worde. D Babett het glächlet, het my Hand gno, se zue sich anezoge u mit em Zeigfinger um ds Handglänk gstrychlet. Mi het’s tschuderet.
«Da isch doch nüt derby – ig weiss scho, das i cha fasziniere! Auso, ig bi grad so wi du ir Matte deheime, ou ar Schiffloube, eifach e chly wyter vore u eifach echly früecher. Synerzyt het si Ländti gheisse. Söll ig dir echly us myre Zyt verzelle?
«Ja klar, genau, gärn, Babett, das wärs ja eigetlich o gsy, wo ig ir Biblere gsuecht ha.»

Herti Gringe

D Babett het es paar Notizbletter fürezouberet. «Auso, hie, das wird dr gfalle. Ds Intelligänzblatt vor Stadt Bärn schrybt am 28.6.1905 mit em Titel «Ehefreuden»: An der Schifflaube (Matte) gerieten letzter Tage zwei daselbst wohnhafte Frauen in Streit, wobei die eine ihrer Gegnerin eine Ohrfeige versetzte. Aus Zorn darüber, dass der Mann seiner geschlagenen Ehehälfte nicht beistehen wollte, stürzt sie sich in den Aarekanal, wurde aber von deren um ihr Wohl und Wehe doch besorgten Gatten dem nassen Elemente entzogen.»
«Das si no Zyte gsi!», het d Babett gsüfzget. «Aber es isch ou anders ume gange. D Justinger Chronik verzellt: Da man zalt von Gottes Geburt 1288 Jare, nach Wienechten an dem achten Tage der Kindelin, geschach ein Kampf zu Bern, an der Matten, da wo die Mur unten am Kilchhofe stat, und kämpften ein Frow und ein Mann mit einandern, und gewann die Frow den Kampf.»

«Bärnergringe, Mattegringe! Herti Gringe», ha ig zur Babett gseit.

«Ja, äs ruchs Völkli,» het d Babett gschmunzlet. «Aber hüt si ja alli viel brefer.»
D Babett het zwüschedüre mit eme heimliche Blick d Saaluhr kontrolliert. De isch si undereinisch ufgstande. «Äs wird Zyt, mir müesse zum Saal us. Chumm mit!» Si het sich ds Chopftuech wider umebunde, aber dasmal nümm so sträng wi vori. Im hinderschte, fyschtere Egge, hinder eme Vorhang, het si e chlyni, Türe us fasch schwarzem Holz ufgschplosse. D Babett het mi zart umarmet: «Pass uf di uf!». Über iri Schultere ha ig no ds letschte Lämpli, üses Lämpli, im Saal gseh verlösche. D Babett het mi im Fyschtere dür d Türe usegschobe. Hinder mir het si di dunkli Türe gsplosse, dr Schlüssel drümal umdräjiht.

Wider dusse

Nach em dritte Mal bin ig im grälle Neonlicht im Stägehus gstande. I bi düre läng Gang vor Cafeteria zum Usgang füre gloffe, wie im Troum. Vore, byr Glastüre, isch e Putzfrou gstande, het mir wi wild zue gwunke.

«Chömet, fürschi, mir mache grad zue, Dihr sit dr Letscht!» Aber si het mir zueglächlet, wi we mir üs scho lang kennti. De het si ihres blaue Chopftuech abzoge u iri schwarze Chrusle usgschüttlet.