Die Rathaus Apotheke feiert ihr 450 Jahre Jubiläum - wie fühlt sich das an?

Die ältesten Spuren in den Kellern des Hauses «am scharpfen Eggen» an der Kramgasse 2 in Bern stammen noch aus der Zeit der Stadtgründung. Nach dem Stadtbrand von 1405 wurde das Haus neu aufgebaut.
Schultheiss und Rat beabsichtigten, das 1567 von Witwe Frisching erworbene Haus künftig nach ir Gnaden gevallen und fürhaben zu einer apotheken oder anderen sachen ausbauen zu lassen. Seit 1564 wütete auch in Bern die Pest. So ist es begreiflich, dass 1571 die Stadt unter der Bezeichnung welsche Apotheke eine zweite Apotheke nebst der bereits früher bestehenden (aber seit langem verschwundenen) deutschen Apotheke eröffnete. 1720 erstrahlte das Haus in neuem barockem Glanz, der bis heute weitgehend erhalten ist. Die Schaufensterfront und das neugotische Interieur stammen aus dem Jahre 1824. Ausserdem blieben viele Gerätschaften und Glaswaren aus den vergangenen Jahrhunderten erhalten und können in unserem hauseigenen Apothekenmuseum besichtigt werden.

Rathhausapotheke mit Tramway

Seit wann bist du in der Rathaus Apotheke und wie kamst du zu dieser Apotheke?

Ich hatte das Glück, ab 1986 als Verwalter unter dem früheren Besitzer, dem Drogisten Hans-Ulrich Neuenschwander, mein Rüstzeug als Unternehmer zu erwerben. Er vermittelte mir den Stolz auf das lange Erbe, aber auch die Freude am Dienst an der Allgemeinheit. So war es mir eine Ehre, als er mir 8 Jahre später die Apotheke übergab.

Was hast du für einen Bezug zur Matte? Hast du viele Kunden aus der Matte? Jung?alt?

Die Matte ist und war ein prägender Bestandteil der Stadt Bern. Ursprünglich ausserhalb der Stadtmauer gelegen und auch heute noch abgetrennt von der Altstadt, entwickelte sie ihr eigenes «Cachet». Über den Nydeggstalden, durch die Treppen und später das «Senkeltram» sind beide Quartiere verbunden. Die früher in der Matte angesiedelten Gewerbe- und Kleinindustrie-Betriebe waren seit jeher auch Kunden der Rathaus Apotheke und bezogen damals dort beispielsweise ihre Chemikalien. Auch die Badehäuser im 18. und 19. Jh. bezogen sicher ihren Bedarf in der Altstadt. Auch heute noch dürfen wir viele «Mätteler*innen» zu unserer Kundschaft zählen. Ist die Wohnbevölkerung in der Unteren Altstadt heute eher monoton zusammengesetzt, freut mich der altersmässige und kulturelle Mix in der Matte umso mehr.

Stefan Fritz in der historischen Apotheke

Was wünscht du dir für die Zukunft der Rathaus Apotheke?

Durch die Verlagerung der Passanten- und Kundenströme in die obere Altstadt infolge der Verkehrsberuhigungsmassnahmen und des Auszugs vieler Büros der kantonalen und städtischen Verwaltung aus unserem Quartier nahmen die Frequenzen vor allem in den Geschäften des täglichen Bedarfs zunehmend ab. Viele dieser Geschäfte wurden mangels Nachfolge geschlossen. Auch die Wohnbevölkerung reduzierte sich zunehmend, vor allem Familien mit Kindern sind weitgehend verschwunden. Die Rathaus Apotheke hat diese Entwicklung, welche auch vor unserem Berufsstand nicht Halt gemacht hat, bisher erfolgreich überlebt. Ich glaube, dass sich die Untere Altstadt ein Stück weit am Mattequartier ein Beispiel nehmen sollte, dass eine bessere Durchmischung von Wohn- und Arbeitsbevölkerung aber auch der kulturellen Diversität ein wesentliches Element der Lebensqualität sein muss. Und in einer solchen lebendigen, attraktiven Altstadt mit auch innovativen Ideen wird auch die Rathaus Apotheke weiterhin gedeihen und zum Wohle der Bevölkerung da sein.

Was hat sich in den letzten 450 Jahren verändert?

Das Berufsbild des Apothekers hat sich schon nur in der Zeit meiner Berufsausübung stark gewandelt. Auch wenn die industriell gefertigten Arzneimittel bereits stark überwogen, stellten wir zu Beginn noch täglich individuelle Arzneimittel auf ärztliche Verordnung her, sogenannte Magistralrezepturen. Zunehmend wurden jedoch immer mehr GesundheitsDienstleistungen von Apothekerinnen und Apothekern erwartet. Jetzt zählen beispielsweise die Abklärung und Behandlung einfacherer Gesundheitsprobleme und die Überweisung schwerer oder unklarer Krankheitsbilder an die Ärztin oder den Arzt zu unseren täglichen Aufgaben. Auch spezielle Dienstleistungen wie «Metabolic Balance» (gesunde Ernährung und Gewichtskontrolle) und «Kryolipolyse» (Kältebehandlung von Fettpölsterchen) haben wir erfolgreich in unser Angebot aufgenommen. Um unseren Aufgaben in der medizinischen Grundversorgung noch besser nachkommen zu können, haben wir vor kurzem ausserdem einen weiteren Betreuungsraum eingerichtet. Schon bald nach meinem Eintritt in die Rathaus Apotheke konnte ich meinen damaligen Chef davon überzeugen, unsere Betriebsabläufe mit verschiedenen Informatiksystemen effizienter zu gestalten. Seither war die Rathaus Apotheke immer vorne dabei, wenn es galt, neue Entwicklungen wie beispielsweise technische Errungenschaften oder zukunftsweisende Dienstleistungen in den Arbeitsalltag zu integrieren. Dabei trugen wir aber immer Sorge zum antiken Interieur. Lediglich bei der Neueinrichtung unserer Drogerie-Abteilung wählten wir bewusst ein modernes Design, um diese klar von der historischen Apotheke abzugrenzen.

Was ist dir wichtig in deinem Beruf?

Für mich umfasst der Beruf des Offizin-Apothekers verschiedene Facetten. Das Berufsbild hat sich bekanntlich über die Zeit immer wieder gewandelt. Dabei sind der wissenschaftliche Aspekt, die unternehmerische Herausforderung und das berufs-, gewerbe- und gesamtpolitische Engagement gleichermassen Elemente, welche für die Zukunft des Apothekerberufs wichtig sind und welche mich – wie viele meiner Vorgänger – beflügeln.

Was magst du an der Rathaus Apotheke besonders?

Mein Team und ich sind stolz, Teil der langen Geschichte unserer Apotheke zu sein. Gleichzeitig wollen wir diese Geschichte im Sinne unserer Vorgänger weiterführen und den Bestand unserer Apotheke für viele weitere Jahre sichern. Alle leisten ihren Beitrag an ihrem Platz, und nur als Team sind wir erfolgreich. Das spürt auch unsere Kundschaft, die alle Veränderungen in unserer Belegschaft wahrnimmt. Mein Vorgänger Hans-Ulrich Neuenschwander hat es einmal so ausgedrückt: «Eine Apotheke wie unser Geschäft bringt keinen Reichtum, aber Befriedigung an der Arbeit, am Dienen vor dem Verdienen, am Menschenkontakt. Diesen Willen, der von allen getragen wird und ein gutes Arbeitsklima bringt, gilt es vor allem zu fördern.

Herzlichen Dank Stefan Fritz, für deine Zeit, meine Fragen zu beantworten und noch viele gute Jahre in einer der schönsten Apotheke von Bern.