Martin Giezendanner

Erinnern Sie Sich noch an den 22. August vor 18 Jahren? Damals haben Starkregen und eine riesige Menge Schwemmholz dazu geführt, dass die Schwelle verstopft und die Aare auf der Höhe der Badgasse über die Ufer getreten ist.

Im kommenden Herbst wird der Gebietsschutz in den Quartieren an der Aare wieder im Gemeinderat und im Stadtrat behandelt und im November soll eine Abstimmung über einen millionenschweren Kredit in der Stadt folgen.

Was lange währt …

Im Mai 1999, besonders aber im August 2005 wurde die Matte und angrenzenden Quartiere von grossen Hochwassern heimgesucht. Im Mai 1999 waren esSchnee und kurz darauf ein Wärmeeinbruch mit viel Regen, was den Abfluss der Aare aus dem Thunersee anschwellen liess. So wurde die Matte quasi von unten, also von der Mattenenge her überflutet. Im August 2005 waren es starke und plötzliche Unwetter im in der Region Thun, die grosse Mengen von Schwemmholz in die Aare brachten. Dieses wurde an der Schwelle aufgestaut, so dass sich die Aare regelrecht einen Weg durch das Quartier gebahnt und dieses «von oben» durchströmt hat. Aber nicht nur in Bern waren die Auswirkungen verehrend. In der Folge wurden in Bern nebst Sofortmassnahmen zum Gebietsschutz auch die Arbeiten an einem Vorprojekt zum Hochwasserschutz an die Hand genommen.

Es dauerte bis ins Jahr 2009, bis dieses Vorprojekt erstmals im Stadtrat diskutiert wurde. Damals wurde die «Nachhaltige Variante» ins Spiel gebracht und der Gemeinderat beauftragt eine Studie auszuarbeiten und in die Evaluation einzubeziehen. Diese Studie wurde 2012 abgeschlossen, die Kosten für die Vorprojekte abgeschätzt und alles nochmals im Stadtrat beraten. Im März 2013 wurde in einer Volksabstimmung einem Projektierungskredit von 11.8 Millionen Franken zugestimmt und damit der Weg frei gemacht, um die Planung weiter zu führen.

Mit dem Vorprojekt wurde 2014 ein Mitwirkungsverfahren gestartet, bei welchem sowohl der Matteleist, aber auch viele Anwohnende aus dem Quartier ihre Meinungen und Bedenken einbringen konnten. Im Jahr 2018 wurden die gesamten Pläne öffentlich aufgelegt und ein Einspracheverfahren gestartet, das teilweise jetzt noch im Gange ist. Im Rahmen dieser Verfahren konnten Optimierungen und Verbesserungen eingeplant und in das Ausführungsprojekt integriert werden. Aus der Sicht der Projektleitung im Tiefbauamt und dem Stadtbaumeister liegt nun ein bewilligungsfähiges Projekt vor, das wiederum dem Gemeinde- und dem Stadtrat und voraussichtlich im November zusammen mit einem Antrag für einen Ausführungskredit in einer Volksabstimmung in der Stadt Bern vorgelegt wird.

... was schon umgesetzt wurde ... Nebst der Bearbeitung des Wasserbauplans wurden in Bern und aareaufwärts bereits Projekte umgesetzt. Zum Beispiel die Aufweitung der Aare zwischen der Bodenackerfähre bis Münsingen und vor allen Dingen der Entlastungsstollen in Thun. Rund um den Tych ist eine stabilere Brüstung entstanden und an der Schwelle gibt es jetzt 4 Elemente, die mit einem Pneukran schnell ausgebaut werden können. Dass die Wehrdienste viel besser trainiert sind im Umgang mit den mobilen Massnahmen können wir immer wieder beobachten. So war es zum Beispiel im Mai 2015 möglich, dass der Abfluss aus dem Thunersee besser reguliert wurde und so deutlich mehr als 500 m3/s in der Aare in Bern abfliessen konnten, jedoch nie die Schadensmarke überschritten wurde.

... was besser werden wird ... Dank dem Mitwirkungsverfahren und der öffentlichen Auflage kann nun ein Ausführungsprojekt vorgestellt werden, das in vielen Punkten den Wünschen der Anwohnenden entspricht. Sicher, es gibt noch immer vieles, das sich gegenüber der heutigen Situation ändern wird. Es geht dabei um ein Abwägen von Schutz, Sicherheit und Bequemlichkeit. Wesentlich sind so gesehen die folgenden Punkte:

Das Schutzziel wird an einigen Orten so interpretiert, dass fixe Bauten – z.B. die

  • Mauerhöhe etwas reduziert wird und sogenannte mobile Sperren zusätzlich montiert werden können. Dies gilt vor allen Dingen für den oberen Teil der Aare im Dalmazi und im Marzili, wo Sitzmauern realisiert werden, bei denen die vorgesehenen Durchgänge und Aareausstiege in einem Ereignisfall mit mobilen Sperren ergänzt werden sollen.
  • Ein ähnliches Vorgehen ist im Altenberg geplant. Der schwierigste Punkt dort ist der Zugang der Wehrdienste und Rettungskräfte vom Bärengraben her. Dieser Zugang muss sichergestellt werden, daher gibt es feste Mauern und Installationen bis etwa zum tiefsten Punkt beim Brunnen nach der Kinderkrippe. Anschliessend wird der Spazierweg entlang der Aare etwas tiefer gelegt, verbreitert und hangseitig mit einer festen, aber deutlich niedrigeren Mauer abgeschlossen.
  • Rund um den Tych, rund um das Inseli und entlang der Wasserwerkgasse ist weiterhin eine feste Mauer vorgesehen. Diese wird etwas niedriger werden und so konstruiert, dass im Notfall schnell mobile Elemente aufgesetzt und die vorgesehenen Durchgänge (z.B. bei der Cinematte) abgesperrt werden können. Es wird keinen öffentlichen Uferweg oder Durchgang zwischen Aare und den Häuserzeilen geben.
    • Offen ist noch, ob der Tychsteg höher gebaut werden muss. Eine Totalsanierung des Steges ist notwendig und dafür wird der Steg zwischenzeitlich demontiert. Es bestehen gute Chancen, dass eine Lösung gefunden wird, so dass die Treppe nicht höher werden wird.

    ... und was kann nicht verändert werden kann. Die langen Voruntersuchungen haben unter anderem gezeigt, dass in der Matte vom Aarehang her viel Grundwasser gegen den Fluss strömt. Je nach Wasserstand in der Aare ist das mehr oder weniger, manchmal dringt auch Wasser von der Aare gegen den Hang ein. Unter anderem deswegen muss im Bereich der Aarstrasse das Flussbett und Begrenzungsmauer saniert werden. Von der Schifflaube abwärts, rund um den Tych und bis zur Nydegg-Brücke wird sogar eine dichtende Begrenzungswand bis auf den Felsuntergrund gebaut. Der Grundwasserpegel wird fortan von einem Pumpwerk bei der Mattenenge reguliert. Damit verbunden wird auch klar, dass während der Bauzeit sehr viele Arbeiten in und um die Matte ausgeführt werden. Beeinträchtigungen sind unvermeidlich, sollen aber soweit möglich reduziert oder durch zusätzliche Massnahmen kompensiert werden.

    Die aareseitigen Baustellen entlang der Wasserwerkgasse sollen vom Schwellenmätteli her mit einer provisorischen Brücke erschlossen werden. Dies ist offensichtlich nur im Winterhalbjahr bei niedrigem Abfluss möglich, was dazu führt, dass die ganzen Bauarbeiten mehr als vier Jahre dauern werden. Die Details zu den Baustelleninstallationen und den Vorbereitungsplätzen, sowie auch die Anzahl der Camion-Fahrten durch die Matte sind noch nicht abschliessend geklärt. Es wird weiterhin nach Möglichkeiten gesucht dem Wunsch der Anwohnenden – und auch der Eingabe des Matteleist – Rechnung zu tragen.

    Wie weiter ?

    Vorgesehen ist, dass der Wasserbauplan und damit das ganze Ausführungsprojekt im Herbst zuerst im Gemeinderat und dann im Stadtrat beraten undverabschiedet wird. Anschliessend wird das ganze Projekt mit dem Antrag zu einem Ausführungskredit von über 130 Millionen Franken zur Abstimmung gebracht. Wenn die Stadt Bern diesen Kredit gutheisst, müssen auch die Gremien des Kantons zustimmen, da dieser einen grossen Anteil der Kosten tragen wird.

    Ebenfalls müssen offene Einsprachen behandelt werden, so dass mit einem Baubeginn im Herbst 2025 gerechnet werden kann. Es wird verschiedene Phasen geben, da nicht gleichzeitig in allen Quartieren gebaut werden kann. Die ganze Projektdauer wird sich über 5 Jahren spannen.

    Informationen und Links

    Im Mitwirkungsverfahren und in der öffentlichen Auflage sind alle Unterlagen zum Wasserbauplan auf der Web-Seite der Direktion TVS verfügbar.

    https://www.bern.ch/themen/planen-und-bauen/hochwasserschutz

    Informationsabend vom 27. Juni 2023 im

    Kirchgemeindehaus Nydegg

    Die Verantwortlichen hatten den rund 30 interessierten Gästen das Hochwasserprojekt vorgestellt, das im November 2023 zur Abstimmung kommen wird. Den Ausführungen von Reto Zurbuchen, Stadtingenieur, Leiter Tiefbauamt, den Informationen von Alain Sahli, Kommandant Schutz und Rettung Bern und der anwesenden Gemeinderätin Marieke Kruit hörten die Menschen zu. Die anschliessenden Fragen wurden von den Fachleuten beantwortet. Ja, und eine todsichere Hochwasserschutzlösung wird es nie geben, denn Wasser ist beweglich. Und da auch der Denkmalschutz einiges mitzureden hat, kann man nicht einfach Betonmauern bauen ... oder?

  • Herzlichen Dank Guenaël Köpplin, Matteleist, für deine umsichtige Leitung der Fragerunde. Herzlichen Dank auch den Verantwortlichen dieses Projekts für die sachlichen Ausführungen.