Martin GienzendannerEs ist noch kühl an diesem Sommermorgen, als Martin Giezendanner mir gegenüber Platz nimmt. Er bringt feine Schoggigipfeli mit und versüsst uns damit den Beginn unseres Gespräches. Martin Giezendanner wurde an der ausserordentlichen Leistversammlung vom 22. Juni in den Matteleist –Vorstand gewählt.
Martin Giezendanner ist am 19.11.1959 in Luzern geboren und aufgewachsen. Seine Lehre als Mechaniker absolvierte er bei der Bell Escher Wyss in Kriens. Danach besuchte er das Technikum Luzern, das er erst viel später in Burgdorf abschliessen sollte. «Ich hatte damals offensichtlich gleichzeitig zu viele andere Interessen, umn noch das Technikum abzuschliessen.»
Martin war ein aktiver Pfadfinder und im Jahre 1980, zwischen Rekrutenschule als Motorfahrer und Technikum nahm er während vier Wochen als Dienstrover (Rover der eine Hilfsaufgabe erfüllt, beispielsweise in einem Jamboree) im Bundeslager im Simmental teil. Er war einer der engagierten Fahrer, die dafür sorgten, dass das notwendige Material und Verpflegung rechtzeitig am richtigen Ort in den Unterlagern war.
«1982 habe ich nochmals einen Anlauf am Tech genommen, diesmal aber in Burgdorf statt in Luzern. Dank der Studentenloge in der Unterstadt in Burgdorf hatte ich bessere Voraussetzungen das Engagement bei der gemischten Pfadi Bern und jenen am Tech unter einen Hut zu bringen. Nach dem Abschluss als Maschineningenieur im Frühjahr 1986 habe ich eine Stelle bei der Firma Studer in Steffisburg gefunden und dann in Thun gewohnt. Effektiv hatte sich mir schon damals die Gelegenheit geboten, mich in die Wohnbaugenossenschaft in der Schifflaube einzukaufen. Aber finanziell überstieg das meine Möglichkeiten. Während dem Studium in Burgdorf und später von Thun aus, konnte ich mich weiterhin aktiv in der Pfadi engagieren und habe Leiterkurse für Rover, Führer und Abteilungsleiter mitorganisiert.
Die Ideen der ‚Pfadfinderei‘ sind für mich beinahe etwas wie eine Lebenseinstellung geworden.
Ich habe vieles gelernt, Rücksichtsnahme, Nachhaltigkeit, Zusammenarbeit mit Anderen und finden von gemeinsamen Wegen. Noch immer sind meine besten Freunde Kollegen aus jener Zeit. In der Pfadi zu sein, war für mich kurzweilig.»
Nach der Arbeit bei Studer in Thun hatte Martin Giezendanner die Zelte in der Schweiz abgebrochen und ist nach den USA ausgewandert. Während knapp 4 Jahren arbeitete er in Chicago für eine amerikanische Firma, die Werkzeugmaschinen aus der Schweiz importiert und installiert hatte. «Die Zeit in den USA war sehr spannend und sehr lehrreich. In einer kleinen Firma zu arbeiten hat mich gelehrt, dass es auf jeden Einzelnen ankommt und dass jeder anpacken muss, um bei einem gemeinsamen Ziel Erfolg zu haben.»
Martin Giezendanner kam im Spätherbst 1992 von der USA zurück nach Bern, lebte in der Länggasse und arbeitete bei Siemens Schweiz in Urdorf, in der Nähe von Zürich. Auch im Rahmen der Arbeit bei Siemens, war Martin für verschiedene Projekte im Ausland tätig. In dieser Zeit hat er während einem Sabbatical für die OSZE beim Aufbau in Sarajevo als Fahrer und Logistiker gearbeitet.
Und immer wieder kam er nach Bern zurück. Via Länggasse, Münstergasse näherte er sich der Matte, bis er im Sommer 2003 in die Schifflaube 32 zog.
«Es war glaube ich Herbst 98 oder so, als ich zusammen mit Thierry Kneissel und Christoph Stuber das erste Projekt für die Übernahme der Liegenschaft als Wohneigentum an der Schifflaube 32 eingereicht hatte. Die Stadt wollte damals die Liegenschaft «loswerden». Es gab aber immer wieder Verzögerungen bei der Liegenschaftsverwaltung und beim Fond für Wohnbauförderung. Nach dem Hochwasser 99 haben wir ein zweites, überarbeitetes Projekt eingereicht, dann den Zuschlag aber nicht bekommen. Ein Vorvertrag wurde mit einem andern Interessenten gemacht.
Plötzlich im Frühjahr 2001 kam eine Anfrage der Liegenschaftsverwaltung ob wir noch Interesse hätten. Wir haben ein drittes Projekt, immer unter Berücksichtigung der Auflagen der Denkmalpflege ausgearbeitet und dieses sowohl der Stadt wie auch den Nachbarn vorgestellt. Ruth und Res Margot, die den ersten Vorvertrag der Stadt erhalten hatten, später aber das Haus an der Schifflaube 34 übernehmen konnten, waren nun unsere Nachbarn. Wir konnten von den Abklärungen profitieren, die sie in der Zwischenzeit gemacht hatten, aber die Bausubstanz wurde über die Zeit und dem fehlenden Unterhalt der Stadt auch nicht besser.
Es sollte nochmals zwei weitere Jahre dauern, bis wir abermals angefragt wurden.» Martin Giezendanner verdreht die Augen. «Es war wohl eher mühsam», meinte er trocken. Nach einem ewigen hin und her erhielten wir dann im 2002 den Zuschlag und das dritte Projekt war dann für alle annehmbar. Tja und seither lebe ich gerne in der Matte.»
«Dann hast du das zweite Hochwasser hautnah miterlebt. Sozusagen im Wasser?» Martin schaut mich an und schmunzelt.
«Beim Hochwasser 2005 bin ich mitten drin gewesen. Ich mag mich erinnern, dass ich damals amerikanische Kunden der WIFAG zu Besuch hatte. Am Abend sind wir noch durch die Matte spaziert und ich habe ihnen gezeigt, wie hoch das Hochwasser 1999 war. Am andern Tag stand bei mir alles unter Wasser auch das Schlafzimmer. Es war wirklich eine verrückte Zeit. und es dauerte lange, bis alles wieder so war, wie es sein sollte. Da wir kurz vorher saniert hatten, war die Heizung glücklicherweise im oberen Teil des Hauses. Bis alles instand gestellt war und es wieder einigermassen bewohnbar wurde dauerte es ein Jahr, wie bei vielen hier unten», sagt er nachdenklich.» Aber eigentlich habe ich  das Hochwasser 1999 eher am Rande mitbekommen. Vor allem aber deshalb, weil mein Interesse für eine Wohnung in der Matte bereits vorhanden war.»
«Hast du den Eindruck, dass es nochmals ein Hochwasser geben wird?»
«Ich bin der Meinung, sollte es nochmals ein solches Hochwasser geben, die Chance gross ist, dass die Schifflaube nicht davon betroffen sein wird. Die Gefahr von Schäden wird es aber durch den begrenzten Abfluss im Bereich der Untertorbrücke in der unteren Wasserwerkgasse und der Gerberngasse immer geben und so gesehen liegt mir der Hochwasserschutz am Herzen. Der Vorstoss mit dieser Lightvariante zur Verhinderung von Wassereinbrüchen von der Aare her bringt nichts. Im politischen Entscheidungsprozess und in der Umsetzung von Massnahmen gibt es einfach eine Verzögerung. Ich hoffe aber, dass das auch dieses Projekt schnellstmöglich dem Stadtrat und später der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt wird.»
«Welche Variante ziehst du vor?», will ich wissen.
«Ich persönlich habe das Gefühl das der Stollen nicht alle Probleme löst. Das Grundwasser ist nicht entlastet mit dieser Variante. Für mich ist es wichtig, dass sich der Matteleist klarer positioniert. Vor allem ist es mir ein Bedürfnis mit der Bevölkerung und mit der Stadt besser zusammenzuarbeiten.»
«Was ist der Grund wieso du dich in den Matteleistvorstand hast wählen lassen?»
«Es wurden Leute gesucht, wie immer.» Er lacht schelmisch, wie er das oft tut, wenn er nach einer Antwort sucht.
«Ich bin primär Bewohner und vom Hochwasser betroffen und ich will die Sicht des Bewohners in den Leist einbringen. Aram vom Leist hatte mich angefragt, ob ich nicht mitmachen möchte. Und warum eigentlich nicht?
«Was kann aus diesem Quartierverein mit dem neuen Vorstand werden? «Er sieht mich etwas überrascht an.

«Die Unruhen der letzten Zeit waren nicht so konstruktiv, aber jetzt kann etwas Neues entstehen.

Die Gespräche mit Jimi Gyger dem ehemaligen Präsidenten von den Altstadtleisten und jetziger Präsident des Cityverbandes brachte die unterschiedlichen Menschen an einen Tisch und man sprach sich aus. Es gibt tatsächlich ungleiche Interessen und das darf auch und soll so sein.»
«Wie siehst du dich im Leist?»
Die Anwohner haben an Einfluss gewonnen. Es leben wieder mehr Kinder in der Matte und es gibt auch mehr Kinder, die hier in der Matte zur Schule gehen. Und es gibt eine Verschiebung der Interessen. Das Verkehrsdossier ist mir wichtig und auch da muss es Veränderungen geben.»
«Was erwartest du von der Stadt und von der Mattebevölkerung.»
«Dass endlich ein Mal die bestehenden Verkehrsgesetzte eingehalten werden. Das ist wirklich ein grosses Problem, dass man aber mit mehr Kontrollen seitens der Polizei besser in den Griff bekommen würde. Ich hoffe aber auch, dass wir das Gespräch mit den Betreibern der verschiedenen Klubs finden können. Es ist an allen Orten dasselbe, wenn sich alle Interessengruppen ein bisschen nähern würden, dann gäbe es nicht so viele Kontroversen. Ich habe die Hoffnung, dass wir in guten Gesprächen Kompromisslösungen finden können und viele damit leben können. Respekt und Rücksichtsnahme ist wohl ein wichtiger Punkt. Ich habe viel von dem in der Pfadi gelernt und ich hoffe dies ebenso ein bisschen davon in die Matte hineinzubringen.» Er sieht mich nachdenklich an.
«Meine Erwartungshaltung ist schon so, dass wir zu kooperativen Lösungen kommen. Es ist ein lebendiges Quartier und es soll auch gegenüber der Stadt gut vertreten sein.»
Eigentlich hatten Martin und ich eine Stunde für unser Gespräch ausgemacht. Doch es wurde weit länger als wir geplant hatten. Martin ist ein spannender und kurzweiliger Gesprächspartner, der viel zu erzählen weiss. Er überlegt gründlich, bevor er mir eine Antwort gibt. Martin Giezendanner ist einer der anpacken und zupacken kann. Im August wird er, wie so oft in seinem Leben, beruflich etwas Neues beginnen und in Innerkirchen arbeiten.
«Ich werde in der Matte bleiben, das ist klar. Einmal Matte immer Matte», sagt er lachend, bevor er verschmitzt lächelnd sich verabschiedet und seinen Ferientag geniesst.

Herzlichen Dank Martin für deine Zeit und deine liebevolle Art, mir Red und Antwort zu stehen. Ich wünsche dir im Leist viel Durchsetzungskraft und viel Geduld.

Rosmarie Bernasconi